Die Katze läßt das Morden nicht by Sara Paretsky (Hrsg.)

Die Katze läßt das Morden nicht by Sara Paretsky (Hrsg.)

Autor:Sara Paretsky (Hrsg.)
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Tags: Krimi
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2011-11-29T23:00:00+00:00


Die Hochebene

Clark Howard

Tank Sherman fühlte die Hand seiner Tochter Delia, die ihn sanft wach rüttelte. »Tank, Tank! Wach auf! Bruno ist tot.«

Tank setzte sich auf, schwang die Beine von der Bettstatt, auf der er in voller Montur, jedoch ohne Stiefel, geschlafen hatte. Bruno? Bruno tot?

»Du meinst Hannah«, sagte er und tastete automatisch nach den Stiefeln.

»Nein, Tank. Ich meine Bruno. Hannah lebt. Bruno ist tot.«

Tank runzelte die Stirn. Das war gegen die Natur. Er schlüpfte zuerst mit dem einen, dann mit dem anderen Fuß in die schwarzen Cowboystiefel. Er hatte diese Stiefel seit sechzehn Jahren, und sie waren so weich wie Handschuhleder. Nachdem er sie angezogen hatte, setzte er sich wieder und starrte verwirrt zu Boden. Bruno tot? Wie war das möglich? Bruno hätte Hannah eigentlich überleben müssen. Bruno war jung. Hannah war alt. Außerdem hatten sie wegen Bruno das Lotteriespiel veranstaltet.

»Was ist passiert?« fragte er Delia.

»Keine Ahnung. Doc Lewis ist schon unterwegs.« Sie ging durch die kleine Hütte mit dem einzigen Zimmer zum Herd und zündete die Gasflamme unter dem Kaffeekessel an. Dann griff sie nach einer Tasse und goß einen Schluck Pfirsichschnaps hinein. »Was meinst du? Wird die Jagd trotzdem abgehalten? Jetzt ist Bruno schließlich nicht mehr da. Nur noch Hannah.«

»Nein«, erwiderte Tank im Brustton der Überzeugung. »Das können sie gar nicht machen. Das wäre keine Jagd. Das wäre nur Zielschießen.«

Der Kaffee war fertig. Delia goß ihn zum Schnaps und brachte Tank die Tasse. Während er Schluck für Schluck trank, betrachtete er seine Tochter. Sie hatte das dunkle Haar ihrer Mutter geerbt: dick und schwarz wie die Flügel einer Krähe. Und die hohen Wangenknochen des Stammes der Mutter, einer Shoshonin. Die verhältnismäßig helle Haut des Halbbluts und die blauen Augen hatte sie von ihm. Ihr ganzes Leben lang hatte sie ihn Tank und nicht Daddy genannt. Der Körper der Neunzehnjährigen war wohlgeformt und fest. Sie lebte in ihrem eigenen Wohnmobil ein Stück weiter unten an der Straße. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie als professionelle Siebzehnundvierspielerin in einem illegalen Spielsalon hinter dem Restaurant »Custers’s Last Stand«. Tank wohnte noch in derselben Hütte, in der Delia geboren war. Seit einem Jahr, seit Delias Auszug, lebte er dort allein. Einsam war er seit sechs Jahren, seit Delias Mutter an Arthritis gestorben war.

»Gehst du runter?« fragte Delia.

»Gleich.« Er hielt die Kaffeetasse mit beiden Händen, als wolle er sich daran wärmen, und sah lächelnd zu seiner Tochter auf. »Weißt du noch, wie wütend deine Mutter gewesen ist, als sie dich dabei erwischt hat, wie du Schnaps in meinen Kaffee getan hast?«

»Ja.« Delia erwiderte sein Lächeln.

»Sie wollte immer was aus mir machen, deine Ma. Wollte immer, daß ich was tue, was wichtig ist. Aber vermutlich ist mir das einfach nicht gegeben. Wenn Hannah zuerst gestorben wäre, wie man das eigentlich hätte annehmen sollen, tja… ja dann hätte ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas tun können, was von Bedeutung gewesen wäre. Von Bedeutung wenigstens für deine Ma, wenn sie noch lebte. Und für Bruno. Aber Bruno verdirbt alles und stirbt zuerst. Also habe ich wieder nichts Wichtiges zu tun.



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